BUMMEL 5.Septämber 2020

Wurzle-Clique 1951

Cortege / D`Route

Die Basler Fasnacht - im Folgenden einfach Fasnacht genannt - unterscheidet sich stark vom rheinischen ''jecken'' Karneval. Dafür sorgt schon die strikte Trennung zwischen Aktiven und Zuschauern.

Jeder der ca. 18.000 aktiven Fasnächtler trägt ein Kostüm mit einer Larve (Maske). Darunter werden das Gesicht und der gesamte Körper verdeckt, der Träger des Kostüms ist nicht zu erkennen. Es gehört zum guten Ton, dass ein Fasnächtler sich nicht in der Öffentlichkeit erkennen lässt. Die Cliquen tragen, ausser beim Morgestraich und am Fasnachts-Dienstag, einheitliche Kostüme, die meist dem „Sujet“ (Thema) der Clique angepasst sind. Bei den Kostümen kennt die Fantasie keine Grenzen. Oft sind die Larven Personen des öffentlichen Lebens (Politikern und anderen Prominenten) nachempfunden, manchmal auch Comic-Figuren oder Tieren. Es gibt aber auch traditionelle Larven, etwa jene die an die französische Armee der Napoleonischen Kriege erinnern, Harlekine, Alte Tanten, oder die vor allem bei Einzelpersonen und Wagencliquen beliebten Waggis-Larven.

Am auffälligsten sind die Pfeifer- und Tambouren-Cliquen. Diese spielen bei ihrem Gang durch die Innenstadt Märsche, ihre Piccoloflöten werden vom Rhythmus ihrer Basler Trommeln begleitet. Die Basler Innenstadt wird somit in diesen drei Tagen zum Platz des grössten Pfeiferkonzerts der Welt. Eine Clique besteht meist aus einem Vortrab (Platzmacher), den Pfeifern, dem Tambourmajor und den Tambouren (Trommlern). Die Cliquen folgen dabei keinen bestimmten Routen (ausser am Cortège). Es kommt dabei immer mal vor, dass sich der Weg mehrerer Cliquen kreuzt. In dem Fall bleibt eine Clique einfach stehen und wartet, bis die andere passiert hat. Steht man als Zuschauer einer Clique im Weg, wird man vom Vortrab freundlich beiseite geschoben.

Neben den pfeifenden Cliquen nehmen Guggenmusik-Gruppen mit Blechblasinstrumenten an der Fasnacht teil. Diese sind allerdings nicht beim Morgestraich anzutreffen, sondern nur bei den Cortèges am Montag und Mittwoch und an den Abenden, insbesondere am Dienstagabend bei den Gugge-Konzerten. Weiterhin ziehen viele Einzelpersonen und kleine Gruppen durch die Strassen. Sie werden als „Schyssdräggziigli“ bezeichnet und bewerfen beispielsweise als Waggis kostümiert „ahnungslose“ Zuschauer mit Konfetti (im Baseldeutsch Räppli genannt) beziehungsweise stopfen es diesen auch mal in die Jacke.

Die meisten Cliquen haben sich für die Fasnacht ein sogenanntes Sujet (französisch für „Thema“) vorgenommen, das während der Fasnacht präsentiert wird. Es handelt sich dabei um Themen der Zeitgeschichte, an denen in meist satirischer Form Kritik geübt wird. Die Sujets werden beim Morgestraich auf Laternen dargestellt. Beim Cortège sind auch die Kostüme, Larven und oftmals ein Requisit dem Thema angepasst. Praktisch alle Cliquen verteilen ausserdem passende Zeedel (Handzettel mit ironischen Versen). 

WURZLE-CLIQUE 1951

D`Wurzle Clique isch syt 69 Joor uf dr Gass


Dr Waggis

E Värs zu Ehre vom Waggis



Als e Schnappsbyyle und e Kind vo dr induschtrielle Revoluzion, bezeichnet me friener dä Elsässer Vagabund und mit vollem Hohn: „du Waggebum“ und syt rund 80 Joohr verächtlig: „du Waggis“; das liisisch bim Tschei-Pi Lienhard, dä waiss es! Eleganti Halbschueh, e Zipfelmütze, e gfliggti Hoose, e Bängel, e Stupsnaase und jetz muesch loose: e Wybli im scheenschte Plunder und mit emene Munifesel, dr Waggis vo anno 1874 trait si ufem Buggel, wiene Esel

Dr Waggis vo hyt loht sich firnähm loh fahre, uff emene meh oder weniger originelle Chare. Dä isch sträng reglementiert, das verstooht sich vo sälber, wäge dr Sicherhait und nid eppe wäge de Gälder.

Verändert het sich au em Waggis sini Tracht: friener aifach, hyt e wunderbar Farbepracht; vomene Lärvli us dr „Commedie dell’arte“, zumene riise Zingge, in allne Forme und Arte. Kai ander Goschdym isch an dr Fasnacht soo beliebt und wird glychzyttig dermasse vom Zytgaischt inspiriert; mit Räppli, Bliemli, Orangsche oder intrigiere, loht sich drzue z’Publikum zem mitmache animiere.

Waisch au du no, als klaine Binggis luegsch vo unde zem Waggis uffe – muesch vor Schiss fascht pfunde - ine braiti Schnuure mit grosse Zeen, weisch nit: findschs gruusig oder scheen. „Eb är mir ächtsch es Dääfi git, wenn ych ihn heeflig dorum bitt?“ Dr Waggis loot sich nit lo lumpe und loot di schläggend wieder gumpe.

Hit zu Daag, muesch jo nit maine gits die immer no, die Klaine. Sie mache Zaiche und risse Faggse; Baseldytsch hersch se nimme gaggse. Heftig zaige si uf e Jagge-Kraage uf d Blaggedde, wo sell alles sage. Statt „Waggis, Waggis“ und emene frindlige „Bitte“ Khersch hytte eher: „wotsch ains uf d Schnitte?!“ Die hibsche Mamis sin sälber am Waage es Mimeesli go hole.

Und mängmol hän si ganz verstoole em Waggis es liebs Schmytzli gschiggt, druurig ass daas nimme dinne liggt. Hit schigge si ihr Kind an d’Waagefront und dängge, si wärde via Kind beloont. Saggwiis wird denne s‘Wagematerial abgfiert us em Fasnachtsarsenal.

Vrbii die Zytte vom Waggis, wo duet intrigiere. E Seyblootere bikunnsch ebefalls nimm uf d’Biire. Laider gohts hyt nur no, es isch kai Scherz: um Blablabla und ume Kommerz. Wie fiilt sich dr Waagis uf em Waage: Khan er dä Kommerz no ertrage?

Wie wärs, wenn är wurdi dängge: „Für was sell ych all das Ziig verschängge? Was isch mi Loon, was han ych dervo? Was sell denn das, was mach ych do? Immer nur e grossi Schnuure, länggt mir das dur d Fasnacht duure?

Denn khunnt es Mami an Waage anemit em klain Kevin uf de Arme.

Dä Binggis kha vor Angst khuum stammle “Liebe Waggis, bitte, i due Dääfi sammle”. Und s Groosi winkt witt hinde, näbem Alte, fir es Bliemli wo si mit Stolz wird bhalte. Dr Pappe khunnt sit Joore an d Fasnacht gho loose, wienär dehai dr Madame dr Marsch setti bloose.

Es Bitte, es Dangge, Fasnachts-Humor, strahlendi Gsichter, Freyd an Räppli in de Hoor. Vergässe sinn Uffwand und Investition: Lachendi Lyt sinn em Waggis si Loon. Do drfir bruchts nid Unmänge vo Material, khai glänzig Goschdym, nid e Waage ganz genial; khai Kanone und au nid irrsinnig Gschängg, nai, e Sagg Räppli, en Orangsche, e Bliemli: das länggt.

So simmer dis Joohr e Waggis, ganz aifach und schlicht, ghen zrugg in unserer Fasnachts-Gschicht und schleen iber all die Joohr e Sujet-Brugg: „Dr Waggis läbt und git Läbe zrugg“